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Empfehlungspapier "Globale Partnerschaften an Hochschulen stärken"

Gespeichert von Agnes Dietrich am
BIld vom Empfehlungspapier

Hochschulen in Baden-Württemberg sollen ihre internationale Ausrichtung stärken. Das Hochschulnetzwerk für globale Partnerschaften Baden-Württemberg (GloPart) fordert in seinem Empfehlungspapier "Globale Partnerschaften an Hochschulen stärken" verbesserte Bedingungen, finanzielle Förderung und eine verstärkte Zusammenarbeit mit Hochschulen in Ländern des "Globalen Südens", um nachhaltige globale Partnerschaften zu fördern.

Hier kann das Empfehlungspapier heruntergeladen werden.

Empfehlungen des Hochschulnetzwerks für globale Partnerschaften Baden-Württemberg

Ausgangslage

Die Hochschulen des Landes sind entscheidende Akteure des Wandels (change agents) hin zu einer Transformation im Sinne der Agenda 2030. Durch transformative Forschung und Ausbildung können sie eine wichtige Rolle im politischen und gesellschaftlichen Diskurs einnehmen. Dies betont  auch das Land Baden-Württemberg in seiner Nachhaltigkeitsstrategie[1] sowie seinen entwicklungspolitischen Leitlinien[2]. Eine gezielte Ausrichtung der Hochschulen an der Agenda 2030 und die Bearbeitung globaler Herausforderungen ist allerdings nicht im Alleingang möglich. Globale Hochschulpartnerschaften sowie gemeinsame Forschung und Ausbildung zwischen Hochschulen im sogenannten „Globalen Norden“ und „Globalen Süden“ sind hierfür von zentraler Bedeutung.

Herausforderungen

Die Hochschulen in Baden-Württemberg sind trotz Internationalisierungsbemühungen nur bedingt auf die globalen Herausforderungen vorbereitet. In Forschung, Lehre, personeller Aufstellung und internationalen Partnerschaften finden sich Strukturen und Denkmuster wieder, die kolonial und eurozentrisch geprägt sind. Das Ausblenden aus verschiedenen Blickwinkeln formulierter Fragestellungen, Sichtweisen, Theorien und Methoden verengt den Horizont. Koloniale Kontinuitäten werden an den Hochschulen nur in Ansätzen reflektiert. Bürokratische Strukturen in der Forschungsförderung und an den Hochschulen erschweren die Zusammenarbeit mit Hochschulen aus Ländern des „Globalen Südens“.

Die Hochschulen des Landes sind im Wettbewerb um die besten Köpfe  schlecht aufgestellt: Sprachbarrieren, langwierige Aufnahmeverfahren, fehlende Willkommenskultur, Rassismus, Studiengebühren oder auch Wohnraummangel führen vielerorts zu einer (strukturellen) Ausgrenzung von internationalen Akademiker*innen bzw. Studierenden. Chancen für Perspektivwechsel und Wissensdialog und deren Rückwirken auf das gesellschaftliche Zusammenleben bleiben dabei ungenutzt.

In Baden-Württemberg gibt es an verschiedenen Hochschulen engagierte Akteur*innen, die globale Kooperationen aufbauen und internationale Perspektiven verinnerlicht haben. Austausch und Engagement in Bezug auf den „Globalen Süden“ sind jedoch zu oft projekt- oder personenbezogen und nicht institutionell verankert.

Das Hochschulnetzwerk für globale Partnerschaften Baden-Württemberg (GloPart) fordert die baden-württembergische Landesregierung und die Hochschulen des Landes dazu auf, ihre Anstrengungen hinsichtlich der oben genannten Herausforderungen zu intensivieren. GloPart begrüßt die Initiative Koloniale Verantwortung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK), durch die das Land Baden-Württemberg sich seiner historischen Verantwortung stellt und zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes beiträgt. Um jedoch globale Partnerschaften im Hochschulbereich nachhaltig zu stärken, bedarf es sowohl politischer Impulse als auch finanzieller Rahmenbedingungen. Insbesondere die folgenden strategischen Maßnahmen erscheinen dem Netzwerk als dringend notwendig:

Empfehlungen

  1. Nationale Visa-Rahmenbedingungen für Studierende und Wissenschaftler*innen aus dem „Globalen Süden“ erleichtern
    Die Landesregierung soll sich beim Bund dafür einsetzen, dass Studierende und Forschende aus Ländern des „Globalen Südens“ erleichterten Zugang zu Visa bekommen und die Verfahren beschleunigt werden. Ebenso müssen die Verfahren in Baden-Württemberg (Aufenthaltstitel) beschleunigt werden. Es bedarf hier dringend einer Task Force aus Bund, Land und Kommunen.
  2. Finanzielle und administrative Rahmenbedingungen der Forschungsförderung verbessern
    Die Landesregierung ist aufgefordert, Mittel für langfristige Forschungskooperationen und Partnerschaften mit Hochschulen aus Ländern des „Globalen Südens“ bereitzustellen. Schwerpunkte und Regularien der Mittelverwendung müssen sich an den Bedürfnissen der Kooperationspartner*innen orientieren[3]. Die Landesregierung soll sich beim Bund dafür einsetzen, Mittel der kooperativen Forschungsförderung zu flexibilisieren, um sie an die Notwendigkeiten der Kooperation mit dem „Globalen Süden“ anzupassen.[4] Hochschulen sind aufgefordert, die Rahmenbedingungen für reziproke Forschungspraxis und globale Kooperationsprojekte zu verbessern. Dies erfordert insbesondere eine lösungsorientierte Zusammenarbeit und Flexibilisierung der Verwaltungspraxis.
  3. Partnerschaften reziprok und „auf Augenhöhe“ gestalten
    Forschungsfördernde und Hochschulen sollen Kooperationspartner*innen aus dem „Globalen Süden“ beim Agenda-Setting von globalen Partnerschaften und von Forschungsprogrammen von Beginn an einbeziehen und Wissen aus dem „Globalen Süden“ als gleichwertig anerkennen.
  4. Die koloniale Verantwortung der Hochschulen aufarbeiten
    Die Initiative Koloniale Verantwortung des MWK sollte fortgeführt und ausgeweitet werden. Hochschulen müssen sich proaktiv der Aufgabe stellen, z.B. durch Projekte und die Bildung von Fachkommissionen.
  5. Abschaffung der Studiengebühren für internationale Studierende
    GloPart begrüßt die geplante Abschaffung der Studiengebühren für ausländische Studierende. Zugleich bedarf es weiter eines gesicherten Betreuungsangebots internationaler Studierender an den Hochschulen. Die Landesregierung sollte hier weiter finanzielle Mittel bereitstellen, um den Hochschulstandort international zu stärken.[5]
  6. Internationalisierungsstrategien in Bezug auf den „Globalen Süden“ ausbauen
    Im Sinne globaler Partnerschaften bedarf es einer Weiterentwicklung der Internationalisierungsstrategien an den Hochschulen des Landes. Die Landesregierung soll diesen Prozess unterstützen. International Offices müssen für die gestiegenen Anforderungen entsprechend ausgestattet sein.   
  7. Eine Willkommenskultur gegenüber internationalen Studierenden und Wissenschaftler*innen etablieren
    Die Hochschulen müssen Herausforderungen wie die Mehrsprachigkeit in Lehre und Verwaltung, ein umfassendes Unterstützungssystem für internationale Studierende und Angestellte, die Anerkennung von Abschlüssen und Kompetenzen sowie spezielle Förderprogramme für Studierende und Forschende aus Ländern des „Globalen Südens“ gezielt angehen.
  8. Internationalisierung des Personals und der Lehre
    Die Hochschulen müssen Internationalisierung in den eigenen Strukturen umsetzen. Dies erfordert zum einen eine internationale Zusammensetzung des Personals (auch in Führungspositionen), die Sensibilisierung des Personals in Bezug auf verschiedene Diskriminierungserfahrungen, z.B. durch Aus- und Fortbildungsangebote, sowie eine institutionalisierte Vertretung internationaler und migrantischer Hochschulakteur*innen.
    Zum anderen müssen Lehrpläne unter Einbezug globaler Perspektiven überarbeitet, die Mobilität von Lehrenden gefördert sowie Gastdozierende aus Ländern des „Globalen Südens“ eingebunden werden.
  9. Breite Akteurskooperationen fördern
    Die Hochschulen sind aufgefordert in Deutschland und in globalen Partnerschaften den Austausch und die Möglichkeiten der Partizipation mit der organisierten Zivilgesellschaft, z.B. in Form von Service Learning, Citizen Science, gemeinsamen Projekten wie Reallabore, Beratung etc., zu intensivieren.
  10. SDG Hochschultag und das GloPart Netzwerk fördern
    Die Landesregierung sollte die Kooperation der Hochschulakteure im GloPart Netzwerk sowie den SDG Hochschultag als Plattform des Austauschs strukturell fördern.

 

Das Hochschulnetzwerk für globale Partnerschaften Baden-Württemberg (GloPart)

Das Positionspapier wurde vom Hochschulnetzwerk für globale Partnerschaften BaWü (GloPart) verfasst. GloPart setzt sich für die Umsetzung der Agenda 2030 und den Ausbau globaler Partnerschaften im Hochschulbereich ein, vernetzt Akteur*innen zu diesem Thema und trägt zur Organisation des jährlichen SDG Hochschultags Baden-Württemberg bei. Das Netzwerk besteht aus engagierten Hochschulangehörigen sowie aus Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Das Positionspapier basiert auf den Ergebnissen des SDG Hochschultags 2023 in Freiburg sowie der anschließenden Diskussion im Netzwerk. Mit dem Positionspapier möchte das GloPart einen Beitrag zur Diskussion in Baden-Württemberg leisten. Ein ausführlicher Bericht zum SDG Hochschultag 2023 ist unter https://www.hochschulnetzwerk-glopart.de/ abrufbar.

Ansprechpersonen:

Agnes Dietrich (Koordinatorin GloPart): agnes.dietrich [at] act.uni-freiburg.de (agnes[dot]dietrich[at]act[dot]uni-freiburg[dot]de)

Dr. Martin Adelmann (HS Vertreter im REZ BaWü): martin.adelmann [at] abi.uni-freiburg.de (martin[dot]adelmann[at]abi[dot]uni-freiburg[dot]de)

Sabrina Hoffmann (Eine-Welt-Fachpromotorin für globale Nachhaltigkeit an Hochschulen in Baden-Württemberg): sabrina.hoffmann [at] finep.org (sabrina[dot]hoffmann[at]finep[dot]org)

 

[1] https://www.nachhaltigkeitsstrategie.de/bildung/hochschule

[2] https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/130205_Entwicklungspolitische_Leitlinien_fuer_Baden-Wuerttemberg.pdf

[3] Siehe hierzu: Africa Charter on Transformative Research Collaborations https://bpb-eu-w2.wpmucdn.com/blogs.bristol.ac.uk/dist/1/627/files/2023/07/Africa-Charter-for-Transformative-Collaborations.pdf

[4] Siehe hierzu: Offener Brief zur deutschen Wissenschaftskooperation mit dem Globalen Süden an die Leitungen von BMBF, DFG und DAAD. https://vad-ev.de/wp-content/uploads/2023/02/Offener-Brief-an-Leitungen-BMBF-DFG-DAAD_Unterschriften_aktualisiert.pdf

[5] Siehe hierzu: Abschlussbericht des unabhängigen Monitoring-Beirats Studiengebühren 8. Juni 2023, S.10